Herbstgeraschel 2
Auftragskolumne für das Bundesamt für Raumentwicklung ARE in Ittigen zum Thema «Wirtschaft und Raumentwicklung», erschienen in der Dezemberausgabe des Magazins «forum Raumentwicklung» unter der Rubrik «Herbstgeraschel» 2011, ah.
«Das Thema der nächsten Ausgabe ist <Wirtschaft und Raumplanung>», teilt mir der Redaktor fröhlich mit, um gleich erheitert zu ergänzen: «Mit Wirtschaft ist nicht <die kleine Kneipe in unserer Strasse> gemeint, gell!» Wir lachen sparsam über diesen uralten Witz, wohlwissend, dass Peter Alexander schon das Zeitliche gesegnet hat.
Wirtschaft und Raumplanung also. Mir wird leicht blümerant zumute. Mit Wirtschaft assoziiere ich fürwahr nicht viel Positives. Zudem wirft es mich zurück in erfolgreich verdrängt geglaubte Zeiten. Zeiten, gepflastert mit Schulabschlüssen, die schicksalhaft das Schild «zweiter Bildungsweg» mit sich trugen und ausgerechnet mir keine andere Wahl als die mit der Fachrichtung «Wirtschaft» liessen. Ein Fach, das mir diametraler nicht entgegengesetzt hätte sein können. Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsrechnen… Was war mir schlecht in jenen Jahren. Meine Versuche, Bilanzen zu erstellen, zogen Elterngespräche nach sich, obgleich ich damals schon beinahe volljährig war. Ich blieb diesbezüglich absolut talentfrei. Bis heute.
Heute freilich, beinah dreissig Jahre später, kann ich im Zeitalter des World Wide Web immerhin klugscheissen mit Wikipedia: «Das Wort Wirtschaft wird von Wirt im Sinne von Gastgeber und bewirten im Sinne von (ein-)schenken abgeleitet und ist die deutsche Übersetzung des altgriechischen Wortes oíkonomos. Oíkos <Haus> und nomos <Gesetz> oder <Regel>, das Haushälter oder eben Wirt bedeutet.» Da wären wir wieder in der «kleinen Kneipe in unserer Strasse», und die passt einfach auch besser zu mir als Bilanzen, Börsen oder Banken. Ich bin und bleib der Grieche, wenn es um Wirtschaft geht. Mein Kontostand ist Zeuge. Und unverhehlt gebe ich zu, dass ich angesichts der allgemeinen Weltlage eine regelrecht diebische Freude daran habe, dass sich ganze Länder offenbar ähnlich talentfrei zeigen, wenn es um Wirtschaft und vor allem ums damit verbundene Wirtschaften geht. Älterwerden kann so trostreich sein.
Frohgemut wende ich mich also der Raumplanung zu. Von Räumen und deren Gestaltung verstehe ich etwas, und seit Jahren ist es mein Wunsch, da mal planerisch mitmischen zu dürfen. Mein Beruf hat mich, mehr oder weniger freiwillig, immer wieder in Städte katapultiert, in denen ich mich jedes Mal ohne Umschweife sofort um das Amt des Bürgermeisters bewerben wollte. Denn, kaum war ich wo gelandet, fiel mir auf, dass scheinbar plan- und wahllos drauflosgebaut werden darf. Dass Baustile sich bis zur Geschmacksverstauchung vermischen und jedes ästhetische Auge bis ins Innerste jäh verletzen. Wie gerne hätte ich da mal aufgeräumt und die ein oder andere Sprengung vorgenommen.
«Raumplanung ist Hoheitsaufgabe», um noch einmal mit Wikipedia klugzuscheissen. Das glaub ich gern, wobei uns die Geschichte lehrt, dass selbst Hoheiten immer mal wieder baden gehen. Raumplanung ist aber auch nicht einfach. Schon gar nicht in unserer so hochzivilisierten, ja überkultivierten Zeit. Einer Zeit, die gerne in Superlativen denkt und handelt. Wen wunderts also, dass ein Planer offenbar die Rechnung ohne den berüchtigten Wirt macht und einfach mal hofft, dass der so genannt moderne Mensch Grossflächigkeit auch beim Einkaufen schätzt. So werden ganze Center entworfen, die sich gleich darauf grosszügig einer Leere erfreuen, weil sich der europäische Mensch nicht gern in amerikanischer Weitläufigkeit verliert. Nein, da pflegen wir doch lieber die Überschaubarkeit unserer eigenen vier Wände. Für die ist ja auch reichlich gesorgt. «Alle 43 Minuten wird in der Schweiz ein Einfamilienhaus fertiggestellt, alle 14 Minuten eine Wohnung.» Wir brauchen Platz. Und wenn er zugebaut ist, dann sehen wir zu, dass wir schleunigst da wohnen, wo Fuchs und Has sich Gute Nacht sagen, sofern Fuchs und Has überhaupt noch Raum finden, nachdem auch der mit Betonmischmaschinen und anderem schweren Gerät vom Menschen erobert wurde. Was solls! Der Fuchs gehört in diesen kalten Tagen ohnehin an den Mantelkragen und der Hase als Braten auf den Sonntagstisch. Man muss das mit der Natur ja nicht übertreiben.
Und wer überhaupt keinen Plan mehr hat, der werfe zur Erleichterung einen Blick in die Statistik:
«Ein Drittel aller Ferienwohnungen in der Schweiz steht mehr als 48 Wochen pro Jahr leer, ein weiteres Drittel ist 44 bis 48 Wochen jährlich ungenutzt.» Da steckt Erholung drin, und Aussicht auf dieselbe sollte man sich auf keinen Fall verbauen.
Aus Frankreich kommt ein Sprichwort, das besagt: «Die leeren Fässer verursachen am meisten Lärm.» Und da Nietzsche meinte, «für den Einsamen ist schon Lärm ein Trost», gibt es nur eines. Lasst uns mehr Ferien machen und Wirtschaft wieder als das betrachten, was sie laut griechischen Ursprungs ohnehin ist und immer war: Ein Gasthaus, in dem fröhlich eingeschenkt wird. Der ideale Raum für Leib und Seele, denn: «Dort in der Kneipe in unserer Strasse, da fragt dich keiner, was du hast oder bist.»
In diesem Sinne: Leert die Fässer, hoch die Tassen!
Iammas! Skol! Wohlsein! PROST!